Mittwoch, 01. August  2018
Wir sind gerade in Pingyao

 

Wenn der Tag nicht Dein Freund war, so war er Dein Lehrer

 

Eine lange, relativ uninteressante Strecke führte uns heute nach Pingyao. Die Autobahn war sehr gut zu befahren. Viele Steinkohle-Laster mußten überholt werden, denn wir fuhren durch den Kohlenpott Chinas. Einige wenige nahmen die Landstraße mit langer Baustelle und kamen einigermaßen müde ins Ziel.

 

Ein Tour-Teilnehmer verfuhr sich mit 100 Kilometer Umweg. Ein anderer erwischte in der Altstadt von Pingyao direkt vor dem Ziel eine falsche Gasse und fuhr sich dermaßen fest, daß er parkende Fahrzeuge beschädigte. Eine große Aufgabe für unseren Yong Zhi, der mit den Geschädigten verhandeln mußte, wie man die Sache aus der Welt schaffen könnte. Nach stundenlangem Palaver - die gesamte Nachbarschaft war inzwischen zum Public Viewing mit Kind und Kegel und Hockern angerückt - wechselten ein paar Geldscheine den Besitzer und der Unglücksrabe brauchte lange, bis er sich rückwärts aus dieser mißlichen Lage befreit hatte.

 

Wir Reiseleiter pendelten zwischen diesem Schauplatz, der Kreuzung, an der unsere Leute abbiegen mußten und dem Stellplatz hin und her. Die Gruppe übernachtet auf einem bewachten Parkplatz an der alten Stadtmauer, der tagsüber auch von vielen PKWs genutzt wird. So jonglierten wir mit Verkehrshütchen und versuchten, Plätze für unsere Leute zu ergattern, sobald sie frei wurden. Allerdings mußte man diese Hütchen trotzdem im Auge behalten, denn die Chinesen sind da relativ schmerzfrei und stellen sie einfach zur Seite, wenn ihnen die Parkfläche zusagt.

 

Manfreds Wohnmobil ist immer ein besonderer Magnet aber auch alle anderen werden von den vorbeikommenden Chinesen genau in Augenschein genommen. Diese schauen völlig hemmungslos und neugierig zur Tür herein und staunen über die unbekannten Fahrzeuge.

Wer könnte es ihnen verübeln?

Wir sind für sie echte Exoten.

 

 

Eins unserer hohen Fahrzeuge bekam eine extra Stadtrundfahrt geboten, denn an der Zufahrt zum Stellplatz hatte sich ein Bettler aufgestellt, der alle großen Fahrzeuge stoppte und nach oben deutete, als ob er vor einer der vielen Höhenbeschränkungen warnen wollte. Die lokalen Busfahrer kennen ihn offensichtlich und kramen einen Geldschein aus der Tasche, damit er den Weg freigibt.

Unsere Tour-Teilnehmer dachten, wir hätten diesen alten Mann extra engagiert, damit er eine Warnung ausspricht und kehrten tatsächlich zweimal an dieser Stelle um, umrundeten zweimal die Altstadt, bis sie ein drittes Mal vor ihm standen und es drauf ankommen ließen. Inzwischen waren wir ihnen entgegen gegangen, weil wir Hilfeanrufe erhalten hatten. Was für ein Tag!

 

 

Gleichzeitig versuchten wir nach Kräften, für unsere sechs Schweizer Fahrzeuge eine zusammenhängende Parkfläche zu organisieren, was fast unmöglich war.

Am heutigen 1. August wollten sie ihren Nationalfeiertag begehen und luden die Gruppe zu einem Imbiss ein. Letztlich gelang es, die Schweizer Fraktion geschlossen unterzubringen, damit sie ihr Fest nach Wunsch ausrichten konnte. Kaum waren alle Eidgenossen eingetroffen, fing das große Schnippeln an.

 

 

Daß die Feier eine unerwartete Wendung nahm, soll hier unerwähnt bleiben.

 

Dürfen wir unser Lebensmotto verraten? Es hilft nämlich in praktisch allen Situationen:

„Man kann sich den ganzen Tag ärgern, man ist aber nicht dazu verpflichtet.“

Insofern geht ein Tag zu Ende, der nicht unser bester Freund war. Aber hey, wir lieben die Menschen, die sich zu uns auf den Boden legen und lachend sagen: „Was für eine beschissene Aussicht, laß uns wieder aufstehen!“ und von genau dieser wertvollen Spezies Mensch haben wir ziemlich viele dabei auf dieser Abenteuer-Reise.

 

Alle Mühen und Unbillen des Tages enden um 24 Uhr. Danach geht‘s zurück auf Los! Bei 170 Tagen kann nicht jeder voller Highlights sein. Auf den heutigen hätten wir getrost verzichten können. Aber wer weiß, wozu er gut war. Morgen wollen wir die Altstadt von Pingyao zu Fuß erkunden. Dafür stehen wir an der Stadtmauer strategisch günstig und freuen uns auf die Besichtigung.


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