Nadel verpflichtet
                                                                            ...und das ein Leben lang.

In den verschiedensten Kulturkreisen waren Tätowierungen schon immer üblich und auch unsere gute alte Gletschermumie, der über 5000 Jahre alte Ötzi, war tätowiert. Dieses Einbringen von Farbe in die mittleren Hautschichten hat sehr unterschiedliche Bedeutung. Den Insassen der Konzentrationslager wurde von den Nationalsozialisten ihre Häftlingsnummer für immer mitgegeben während sich die Mitglieder der SS ihre Blutgruppe auf den Innenarm schrieben. Religiös motivierte Tätowierungen finden sich vor allem in Gegenden, in denen Christen in der Minderheit leben, die früher die Mädchen tätowiert haben, um ihren Übertritt zum Islam zu verhindern.

Ende der 1990er Jahre sah man in der westlichen Welt plötzlich nicht nur Seeleute, Soldaten und Häftlinge mit diesem permanenten Körperschmuck, sondern die „Arschgeweihe" sprossen überall aus dem..., na aus dem...wie der Name schon sagt.

Spätestens seit immer mehr Promis wie Brad Pitt, Britney Spears und Heidi Klum sich für immer gezeichnet zeigen, seit Beckham, Frings und der Kollege Deco die Gegner auf dem Fußballplatz mit asiatischen Motiven ablenken wollen, sind Tattoos gesellschaftsfähig geworden. PHOENIX ist natürlich immer am Puls der Zeit und will sich da für seine Leser mal schlau machen.

Laut „Gelbe Seiten" gibt es in Berlin 62 Tattoo-Läden, die Dunkelziffer ist wahrscheinlich erheblich höher. PHOENIX sucht sich das Tattoo-Paradise in Moabit aus. Hier sind die beiden Body-Artists Sven und Sylvester bereits seit mehr als 20 Jahren im Geschäft.

 

Gasttätowierer aus aller Welt haben sich in diesen Räumen schon - im wahrsten Sinne des Wortes - verewigt. Sylvester zeigt bereitwillig seine Kunst in freier Handarbeit.

 

Auch die Empfangsdame wurde entweder beim Vorstellungsgespräch mit viel Bedacht ausgewählt oder im Laufe der Zeit mit dem Fingerspitzengefühl der Künstler perfekt ins Team integriert.

 

Daß Tätowierungen nicht nur bildhafte Kunst sind, sondern auch literarisch wertvoll, zeigt das ausgefallene Projekt der US-Amerikanerin Shelley Jackson. Sie hat im Jahr 2003 eine Kurzgeschichte geschrieben mit 2095 Wörtern, deren Text nur stückweise veröffentlicht wird. Sie sucht Freiwillige (zum Glück!), die sich per Vertrag verpflichten an ihrem Kunstwerk mitzuwirken. Jeder bekommt dann genau ein Wort zugeteilt, das er sich an eine Körperstelle seiner Wahl tätowieren läßt. Der Gesamttext wird nur den Teilnehmern bekannt sein. Menschen werden dadurch zu „Wörtern". Die Autorin nennt es „a mortal work of art" - also sterbliche Kunst. Wenn „Wörter" sterben, ändert sich nämlich die story. Immerhin sichert die Künstlerin ihren „Wörtern" zu, daß sie alles Menschenmögliche unternehmen will, um an den Begräbnissen ihrer Kunstwerke teilzunehmen. Knapp 200 Wörter sind noch zu vergeben...

Sehr viel lukrativer als nur einen zusätzlichen Besucher beim Begräbnis anzulocken, ist das Rücken-Tattoo eines jungen Mannes aus der Schweiz. Ein Kunstsammler kaufte sich die „Jungfrau Maria mit Totenkopf" für 150.000 Euro. Glücklicherweise „erbt" der Sammler das gute Stück erst mit dem Tod des Trägers. PHOENIX meint: „Das geht ja auf keine Kuhhaut!"

 

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