Alte Kaiserstadt Xi‘an verpaßt uns eine Überdosis an Eindrücken
Diesen 20. Tag unserer China-Durchquerung in Worte zu fassen, ist fast unmöglich. Wir wollen hauptsächlich Bilder sprechen lassen - Bilder, die sich unauslöschlich eingebrannt und einen hohen Erinnerungswert haben.
Am frühen Morgen besuchten wir bei angenehmen Temperaturen die kleine Wildganspagode aus der Tang-Dynastie. Sie steht in einem zauberhaften Park und schenkte uns einen stimmungsvollen Start in den Tag.
Der ums Jahr 707 errichtete Turmbau diente ursprünglich als Aufbewahrungsort buddhistischer Schriften. Heute ist die 43 m hohe Pagode Kulisse für chinesischen Frühsport und Ertüchtigung für Körper und Geist.
Wir schlenderten entspannt durch den Park, den so früh außer uns noch keine Touristen besuchten. Er gehörte ganz den Menschen, die hier leben und die kühlen Morgenstunden nutzen für ihre Aktivitäten in tiefenentspannter Gemeinschaft. Die Jahrhunderte alte Eisenglocke erklingen zu lassen, soll Unheil abwenden und Glück bringen.
Auch die „Rentnerband“, der wir bei ihren Proben auf uns unbekannten Instrumenten zuhören durften, schien in einem Stadium der Glückseligkeit zu sein. Zumindest konnten wir die Harmonie spüren, die in der Luft lag.
Und dann war es - wie durch einem Paukenschlag - urplötzlich vorbei mit Ruhe und Tiefenentspannung. Wir fühlten uns wie aus dem Paradies verstoßen. Von einem Land voll Harmonie und langsamen Tai Chi Bewegungen kamen wir zurück in die Realität umringt von unzählbaren Menschenmengen, die alle nur ein Ziel hatten.
Der nächste Besichtigungspunkt war nämlich zufällig das Highlight jedes Touristen, der nach Xi‘an kommt. Deshalb zog es außer uns noch Hunderttausend Chinesen zur weltberühmten Terrakotta-Armee.
Man denkt immer, der Mensch der Neuzeit sei intelligent und nutze ausgefallene Techniken. Wenn man aber diese über 2000 Jahre alten Tonfiguren betrachtet, die ohne Computer und Maschinen gefertigt wurden, dann wird man plötzlich ganz bescheiden.
Schon 221 vor (!) Christus wurde eine mehr als 7000 Mann starke Streitkraft aus Ton gefertigt, um sie dem Kaiser als Totenwache mit ins Grab zu geben. Die Figuren sind bis zu zwei Meter groß und 200 kg schwer. Sie wurden einzeln gebrannt und in unterirdischen Korridoren aufgestellt.
Es finden sich nicht zwei Figuren, die in Haltung, Frisur, Uniform, Haaren, Bärten usw. einander gleichen. Da die Soldaten bei über 1000 Grad C gebrannt wurden, mußten sie perfekt angefertigt werden, denn sie schrumpfen dabei um 10% und dies mußte ganz gleichmäßig erfolgen, wenn sich keine Risse bilden sollten.
Erst 1974 wurde dieses Wunderwerk von Bauern entdeckt, die einen Brunnen graben wollten.
Man muß sie einmal gesehen haben, diese tönernen Krieger, diese Grabwächterarmee des Ersten Kaisers Qin Shihuangdi. Dafür nehmen wir auch schwitzende Menschen in Kauf, mit denen wir um den besten Platz zum Fotografieren kämpfen müssen.
Wo wir ohne Gedränge traumhafte Fotomotive einfangen konnten, das war während der abendlichen Lichterfahrt durch Xi‘an. Die vielen historischen Gebäude erstrahlten im Glanz unzähliger Lämpchen.
Nicht nur vom Bus aus, sondern auch bei einem zauberhaften Spaziergang durch eine belebte Fußgängerzone ließen wir uns gefangen nehmen von der Farbenpracht Chinas.
Wir sahen Trompeter aus dem antiken China ebenso bombastisch ausgeleuchtet wie das überdimensionale Notenblatt oder die vielen kleinen Musikbands, die für stimmungsvolle Schwingungen sorgten.
Man konnte bloß staunen über den Ideenreichtum, mit dem diese eigentlich alte Kaiserstadt
modern in Szene gesetzt wurde.
Der krönenden - vielleicht sollte man sagen - kaiserliche Abschluß eines unbeschreiblichen Tages waren die Wasserspiele am Fuße der großen Wildganspagode. Natürlich waren die Wege im Park wieder von vielen Zuschauern gesäumt.
Sie wollten wie wir die tanzenden Fontänen sehen und der klassischen Musik dazu unter dem Nachthimmel lauschen. Morgen dürfen sich alle Tour-Teilnehmer, die dieser Tag angefüllt aber platt vor Erschöpfung zurück gelassen hat, in unserem 5-Sterne-Hotel erholen.
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