Pilgerreise zur Zunge Gottes
Der persische Poet Hafez (1320-1389) ist in Shiraz beigesetzt. Sein Grab liegt in einem sehr gepflegten Garten.
Er wird im Iran ähnlich geschätzt wie im Abendland Schiller und Goethe aber noch wesentlich inniger verehrt. Zu jedem Neujahrsfest schlägt man seinen „Diwan“ - den Faust Persiens - auf und deutet mit dem Finger zu einem beliebigen Vers auf einer zufällig ausgewählten Seite. Dieser Vers wird rezitiert und als Schicksalsspruch für die Zukunft verstanden. Auf unserer Stadtbesichtigung in Shiraz wollten wir heute dem berühmten Dichter unsere Aufwartung machen.
In unserem Gastland besucht man die Gräber der verschiedensten Dichter, zu dem von Hafez aber "pilgert" man. Sirous rezitierte ein wichtiges Werk des Poeten und erklärte, warum Hafez als „Zunge Gottes“ verehrt wird.
Da Shiraz reich an Heiligtümern ist, schauten wir uns danach den Schrein von Ali ibn Hamza an, eines Verwandten von Imam Reza, den wir ja bereits in Mashhad besucht hatten. Der Innenhof bescherte uns etwas Kühle und strahlte Frische aus durch das klare Wasserbecken und die hohen Bäume.
Das war auch gut so, denn die Frauen mußten wieder einmal einen Tschador ausleihen, um dem an diesem Ort befindlichen Heiligtum Respekt zu zollen.
Nach einer Einladung von den Geistlichen auf eine Tasse Tee durften wir den Schrein betreten und waren geblendet von den abertausenden Spiegelmosaiken. Sie strahlen eine Stimmung aus, die tatsächlich erhebend ist. Man muß sich darauf einlassen und versuchen, die Hingabe der Gläubigen nachzuempfinden.
Auch die Zitadelle des Karim Khan war uns einen Besuch wert. 14 m hohe, dicke Wachtürme stehen an jeder Ecke. 1767 wurde diese Festungsanlage von den besten Baumeistern und Künstlern der damaligen Zeit errichtet. Sie diente dem Herrscher als Wohnstätte und militärischen Stützpunkt.
Heute beherbergt die 4000 Quadratmeter große Zitadelle ein Museum, das uns zum Beispiel das Badehaus des Khan zeigte. Da in den Gemäuern zwischendurch bis 1971 ein Gefängnis untergebracht war, sind viele Wandmalerei nahezu verschwunden.
Wie immer lockte uns der Bazar der Stadt, der ebenfalls von Karim Khan erbaut worden war. Am zentralen Eingang zerstreute sich die Gruppe in all die vielen Gassen, um sich später wieder zu treffen.
Im Gewirr zwischen den Händlern und Käufern ließ sich vortrefflich in kleinen Gruppen bummeln. Überall duftete es nach Gewürzen und getrockneten Blüten.
Frische Pistazien, Granatäpfel und allerlei fremde Kräuter luden zum Schauen, Riechen und Probieren ein.
Handwerker stellten feine Intarsienarbeiten her und Teppichhändler breiteten ihre Ware aus, rollten sie wieder zusammen, transportierten sie ans andere Ende des Bazars und redeten mit Kollegen und Mitbewerbern. Ein buntes Treiben, das wir nur zu gern beobachteten.
Als am Nachmittag die Füße erste Müdigkeitserscheinungen zeigten, gönnten wir uns noch einen Besuch
im Baq-e Eram Garten. Der Park ist als Botanischer Garten angelegt. In seinem Zentrum zieht der
dreigeschossige Kadscharen-Palast die Blicke auf sich. Die Geschichte des Gartens reicht bis ins
11. Jahrhundert in die Zeit der Seldschuken zurück.
Mit diesen Eindrücken werden wir morgen Shiraz wieder verlassen. Bisher war der Name bei vielen mit der entsprechenden Rotweinsorte verbunden. Tatsächlich galt schon weit vor unserer Zeitrechnung das Perserreich als Wiege des Weins. Heute ist Alkohol im ganzen Iran verboten. Dafür kennen wir jetzt viele andere Dinge, die für immer mit dem Namen Shiraz im Gedächtnis gespeichert bleiben werden.
„Genießen wir, was uns der Tag beschert. Wer weiß, ob solch ein Tag uns wiederkehrt.“
(Hafez)
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