In dichten Flocken fällt der Schnee,
In Nebel hüllt sich Tal und Höh’,
Ein Weib nur geht, von Angst erfüllt,
Die Pfade, die der Schnee verhüllt.
Sie konnt’ nicht weilen mehr im Haus,
Sie musst’ zu Sturm und Frost hinaus,
Dem Sohn entgegen, den so lang
Sie schon erwartet kummerbang.
So eilt sie hin, ein flücht’ges Reh,
In dichten Flocken fällt der Schnee,
Doch naht kein Sohn, der Pfad bleibt leer,
Wie wirds im Herzen ihr so schwer.
Und dicht und dichter fällt der Schnee,
Schwarznächtig liegt’s um Berg und See;
Doch rastlos treibts von Ort zu Ort
Die gramerfüllte Mutter fort.
Da schwindet ihre letzte Kraft,
O kummervolle Pilgerschaft!
Schon sinkt sie hin mit Ach und Weh,
Und immer wilder flockt der Schnee.
Da plötzlich schallt ein ferner Laut —.
Sie horcht von tiefster Angst durchgraut,
Sie horcht in banger Zweifel Qual,
Da gellt der Ruf zum zweiten Mal.
„Mein Kind! mein Kind!“ so schreit darauf
Das Weib und reißt sich hastig auf;
Denn, von des Wahnsinns Glut entbrannt,
Hat sie im Schrei den Sohn erkannt.
„O Himmel, jetzt nur zeig’ den Pfad,
Dass noch zur Zeit ihm Hilfe naht,
O reich den Faden mir, die blind
Durchirrt dies grause Labyrinth!“
Und haltlos eilt sie fort und dringt
Durch Schnee und Wildnis angstbeschwingt,
Den Leib zerpeitscht vom Sturmgeweh’;
Doch dicht und dichter stockt der Schnee.
Da liegt’s gehäuft vor ihrem Pfad,
Wie sich’s gelöst vom Felsengrat,
„Hier muss er sein! das ist sein Grab!“
Sie ruft’s und sinkt zur Erd’ hinab.
Die Brust durchwühlt vom tiefsten Weh,
Durchwühlt sie rastlos drauf den Schnee
Von der Lawine, deren Fall
Noch fern verbraust im Widerhall.
Sie gräbt und wühlt, da ragt empor
Ein Zipfel Tuch, — nun taucht empor
Ein Antlitz — Weib! Nur jetzt geschwind
Die Hülle fort, es ist dein Kind!
Und von der kalten, eis’gen Last,
Befreit den Sohn des Weibes Hast!
Er lebt, er langt zu ihr hinauf,
Der ganze Himmel tut sich auf!
Und bald, befreit von allem Harm,
Die Mutter hält ihr Kind im Arm;
Doch sagt, wer konnt’ ihr Führer sein? —
Ein Mutterherz nur konnt’s allein.
Johann Nepomuk Vogl
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