Im Reich der Mitte
Liebe Leser, liebe Freunde in der Heimat,
wir senden Grüße aus Xi‘an, der ehemaligen Hauptstadt Chinas. Da wir für SeaBridge bzw. Abenteuer Osten ab Mitte Mai die große Seidenstraßen-Tour begleiten werden, hat uns der Organisator Kostya eine zweiwöchige China-Erkundung spendiert. Wir sollen Land und Leute kennen lernen und ein Gefühl für diese riesige Volksrepublik bekommen.
In den letzten Wochen hatten wir uns bereits darauf vorbereitet und einige spannende Reiseführer gelesen. Dabei fiel auf, daß uns wahrscheinlich besonders kulinarisch Neuland erwarten wird. Die Rede war von Hühnerfüßen und von Fleisch zweifelhafter Herkunft, da die Chinesen angeblich alles in der Kochtopf geben, was Beine hat und kein Stuhl ist, fliegt und kein Flugzeug ist oder schwimmt und kein Schiff ist. So gönnten wir uns am Vorabend noch einmal westliche Küche und starteten dann voll Vorfreude in dieses neue Abenteuer.
Am Frankfurter Flughafen überlegten wir zwar noch einmal kurz, ob wir nicht doch die andere Richtung einschlagen und uns in ein Flugzeug nach Afrika schmuggeln sollten, denn die Kulisse am Abflug-Gate war so ganz und gar nicht asiatisch.
Aber dann fanden wir uns doch in der Maschine von China Air wieder, wo Bier serviert wurde, das nach Bier schmeckte und zu unserer Verwunderung zum Essen Messer und Gabeln gereicht wurden. Das Plastikbesteck steckten wir vorsichtshalber ein. Man weiß nie, bei welcher Garküche es vielleicht zum Einsatz kommen wird, wenn die Nudeln durch die Stäbchen flutschen.
Nach 9 Stunden Flug landeten wir sanft in Beijing. Gut 90 Minuten später waren die Pässe gestempelt und ein „people mover“ also ein Menschenbeweger hatte uns ins Nachbarterminal befördert. In Frankfurt heißt so etwas „Skytrain“. Aber warum eigentlich Himmelszug?
Vor dem Weiterflug erneute Sicherheitskontrolle. Nicht nur das Handgepäck wurde durchleuchtet, auch wir wurden fotografiert und gescannt. Danach war uns nach einem Kaffee, einem schönen Tee und einem knusprigen Frühstücksbrötchen zumute. Na ja, das mit dem Brötchen war nur ein Traum aber die Hoffnung, daß Starbucks seinen Siegeszug vom kapitalistischen Amerika bis ins kommunistische China geschafft haben würde, bewahrheitete sich glücklicherweise. Wir sind sehr offen für die Originalküche des Landes, in dem wir gerade sind. Aber um 6:30 Uhr morgens war es zu früh für Experimente. Ein Earl Grey oder ein Cappuccino von Starbucks schmecken überall auf der Welt gleich - eine Tatsache, die uns in unserem Vagabunden-Leben schon häufig den Start in den Tag gerettet hat.
Leider war das Kartenlesegerät defekt. Also nur Cash oder WeChat. Viele Chinesen haben ihr Handy mit ihrem Konto verknüpft und können über WeChat - das chinesische Pendant zu WhatsApp - einen QRCode generieren, mit dem sie zahlen. Handydisplay ans Lesegerät, piep, und schon ist bezahlt! Bei uns war es etwas aufwendiger. Ein Geldautomat mußte gefunden werden, Karte rein, Yuan raus und schon stand dem Kaffeegenuß nichts mehr im Wege.
Im Nachhinein hätte man ein paar Teebeutel dabei haben sollen. Im Flughafen gab es überall Wasserspender, die Wasser ausgeben in 7° Kühlschranktemperatur, in lauwarm - wie die Chinesen ihre Getränke bevorzugen - oder ! Man höre und staune ! als über 90° heißes Teewasser. Boah! Welch ein Luxus für Teeliebhaber!
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Auch frisch gepreßter Orangensaft aus dem Automaten wäre zu haben gewesen.
Erste Eindrücke, die uns gut gefallen haben.
Was uns auch gefällt ist die Wettervorhersage für Xi‘an:
Sonnige 27° C.
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Bisher war alles gut zu lesen. Zweisprachig! Internationaler Flughafen eben.
Die Jungs bei Starbucks sprachen allerdings ein Englisch, bei dem man mehr ahnen als verstehen mußte. Wie wird es weitergehen?
Der Tag hatte noch viel zu bieten.
Am Ausgang wartete Guo Rui, unser Fahrer für die nächsten Tage. Als wir bei der Besprechung dieser Erkundung vorab zu hören bekamen, daß uns ein persönlicher Chauffeur zur Verfügung stehen wird, fragten wir nach, ob er Englisch oder Deutsch spreche. Die Antwort war: „Er spricht sehr gut.....Chinesisch.“ Na, toll! Das kann ja heiter werden. Unsere Chinesischkenntnisse belaufen sich auf genau zwei Worte, außer „Guten Tag“ können wir „Prost“ sagen. Das ist im Grunde genommen nur zu 50% nützlich, wenn man seinen Fahrer anspricht.
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Immerhin hatte Herr Guo (In China steht der Nachname immer an erster Stelle!) genaue Instruktionen, was er mit uns machen soll.
Ohne Worte brachte er uns in ein hübsches Hotel, in dem wir später auch mit der Gruppe übernachten werden.
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Kaum angekommen, erschien außer Atem Herr Li. Er erklärte, daß am heutigen Dienstag in ganz Xi‘an Fahrverbot herrscht für Autos, deren letzte Nummernschildziffern 2 oder 7 sind. Daher hatte der Chef der Reiseagentur, die uns diese Erkundung zusammengestellt hatte, mit der U-Bahn fahren müssen, um uns zu begrüßen. Er ließ es sich nicht nehmen, uns zum Mittagessen einzuladen. Die Bestellung überließ er dabei seiner Mitarbeiterin, Frau Hu. Es folgte eine große Zeremonie, bis man das Menü zusammen gestellt hatte.
Wir verstanden natürlich nur Bahnhof, waren aber heilfroh, daß Frau Hu die in der Auslage krabbelnden Schildkröten und Frösche - oder waren es Unken, Kröten....man weiß es nicht - als Vorspeise verschmäht hatte. Stattdessen zeigte sie zielsicher auf einen Fisch, der umgehend gefangen und noch lebend gewogen wurde, da sich der Preis nach seinem Gewicht berechnete. Der Koch verschwand daraufhin in der Küche, um ihn zuzubereiten.
Derweil wurden immer mehr kalte und dann auch warme Vorspeisen gebracht, über deren Herkunft wir uns vorsichtig ins Bild setzen ließen. Wer konnte ahnen, was sich hinter einem kunstvoll aufgeschichteten Haufen oranger Scheiben verbarg. Vielleicht ein Tiefseetier oder eine pürierte Wüstenheuschrecke? Da wir natürlich mit der chinesischen Begriffserklärung nichts anfangen konnten, sprach Frau Hu in ihr Handy und klärte uns mithilfe einer ÜbersetzungsApp auf. Puuuh! Gerade noch mal gut gegangen: Papaya ist Papaya. Welch ein fruchtiger Genuß!
Es wurden immer mehr Speisen gebracht von Schweinerippen über Rindfleisch, Enten mit kleinen Knöchelchen und zuletzt der vortrefflich zubereitete Fisch. Man denkt immer, in China würde hauptsächlich Reis gegessen. Das stimmt so nicht. Er kommt ganz am Schluß als Sättigungsbeilage, wenn überhaupt. Da Herr Li so großzügig aufgetischt hatte, daß wir selbst mit einer ganzen Reisegruppe die Teller nicht hätten leeren können, war klar: Hier paßt kein Reis mehr rein! Wäre sowieso ungemein schwierig gewesen, die Reiskörner mit Stäbchen zu verschmausen. Aber wir üben an der Technik......
So, das war‘s für heute. Länger als gedacht und gewollt aber es waren schon gleich so viele Eindrücke. Morgen kommt der Fahrer mit Frau Ni, die uns die Jahrtausende alte Kultur von Xi‘an näher bringen will. So wird der Bericht auch bestimmt nicht so einseitig essenslastig wie heute. Fragt sich bloß, wie wohl eine gebratene Kröte geschmeckt hätte.
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