Wènlù zǒng bǐ mílù hǎo
(Besser nach dem Weg fragen als in die Irre gehen)
Wieder liegt ein spannender, anspruchsvoller Tag hinter uns. Und in der Tat....nach dem Weg fragen, mußten wir mehr als einmal. Und das kam so: China wächst rasant. In kürzester Zeit werden Autobahnen gebaut, Mautstellen errichtet, Nebenstraßen mit Höhenschranken versehen und alles ist im Fluß.
Das erste Teamfahrzeug startete im Morgengrauen bei strömendem Regen. Das machte die Sache nicht leichter. Wieder wollten wir voraus fahren, um für die Gruppe den Weg zu erkunden. Die Beschreibung vom letzten Jahr könnte nicht mehr stimmen und das Navi könnte durch die aus dem Boden gestampften neuen Straßen die Orientierung verlieren - so war der Gedanke - und genau so war es auch.
Den Großteil des Tages wollten wir auf einer besonders hübschen Panoramastraße verbringen.
Die Chinesen nennen sie Tiam Lu, Himmelsweg. Es soll der Weg von der Steppe in den Himmel sein.
Und so ähnlich fühlte es sich auch an.
Schon bei der Einfahrt auf diese besondere Strecke schwamm unser Navi etwas, da parallel eine Autobahn neu gebaut worden war und die Koordinaten nun zu einer Mautstelle führten. Also wurde nachgefragt, SMS an die Gruppe geschrieben und abgewartet, bis alle diese Nachricht bestätigt hatten. War es bisher in Russland und der Mongolei einfach gewesen, per WhatsApp zu kommunizieren, ist dieser Service in China nun unzuverlässig. Aber auch SMS kommen teilweise erst Stunden später an. Daher hatten wir verabredet, jede Nachricht zu nummerieren und von den Tour-Teilnehmern einzeln bestätigen zu lassen. In einer Namensliste verbuchten wir dann die eingehenden O.K.-Meldungen. Meine Herren! Was ein Umstand!
Immerhin konnten wir uns dann sicher sein, daß jeder die Einfahrt zu der himmlischen Straße auch finden würde. Leider konnten wir die zauberhaft grüne Landschaft nur im Dunst des Regens erleben. Trotzdem wunderschön!
Außer uns waren viele Chinesen unterwegs, die manchmal einfach die Straße komplett blockierten, um etwa Fotos mit sich und der gesamten Familie in einem Rapsfeld zu schießen. So sind sie, die Menschen im Reich der Mitte!
Über 75 Kilometer rollten wir im Strom der Fahrzeuge durch die grünen Hügel und mußten dann eine Ausfahrt finden, die nicht durch Höhenbeschränkungen verbaut war. Yong Zhi hatte das im letzten Jahr erlebt und die Gruppe mußte weit zurück fahren. Dieses Jahr wollten wir unsere Jungs und Mädels rechtzeitig von der Piste holen und suchten daher nach eine der wenigen Ausfahrten aus der Panoramastrecke.
Als wir sie gefunden hatten, dasselbe Prozedere: SMS, Anruf, WhatsApp. Auf einem der Kanäle würden wir wohl jeden erreichen, um die Koordinaten durchzugeben. Diese Höhenbeschränkungen sind tückisch. Manche uralt und schon lange im Dienst, andere schießen wie Pilze aus dem Boden. Die kleinsten Dörfer wollen sich mittlerweile dadurch vor Schwerlastverkehr schützen.
Ihr ahnt es schon, liebe Leser! Kaum fingen wir im Teamfahrzeug an, zu entspannen und Yong Zhi dachte sogar über ein schnelles Mittagessen in einer der Garküchen des nächsten Ortes nach, da wurden wir jäh von einer neuen Barriere gestoppt. Also neue SMS an alle mit der Nachricht: „Kommando zurück! Hier kein Durchkommen!“ Im Endeffekt hätte es bedeutet, die gesamte Panoramastrecke mit all ihren Hügeln, Kurven und schaulustigen Fahrern wieder zurück fahren zu müssen......
Was tun? Yong Zhi fragte einen Kohlbauern am Straßenrand und der kannte einen Schleichweg. Also umdrehen, Feldweg auf Befahrbarkeit testen bei dieser Wetterlage, durchkämpfen durch wassergefüllte Löcher und Matsch, im Dorf für Aufsehen sorgen mit unserem Wohnmobil, an einer weiteren Höhenschranke scheitern, umdrehen, weiter suchen......bis schließlich doch ein Schlupfloch gefunden war. SMS an alle!
Erleichtert registrierten wir die eingehenden Kurzantworten und wußten so, daß die meisten nun den richtigen Weg finden würden. Jetzt konnten wir endlich zur Hauptaufgabe des Tages schreiten. Der Stellplatz des letzten Jahres mitten in der Natur auf einer Wiese war nach diesen Regenfällen völlig ausgeschlossen. Also hielten wir die Augen offen, bis wir in einem Dorf einen Betonplatz von genau der richtigen Größe fanden und freuten uns über die Zusage der Bewohner, uns für diese Nacht zu beherbergen. SMS an alle mit neuen Koordinaten. Puuuuh!
Was für ein Tag!
Letztlich fanden alle Platz, waren überaus glücklich, ausschlafen zu können auch wenn es heute Nacht wieder regnen sollte, denn hier mußte man keine Sorge haben, sich festzufahren.
Die netten Dorfbewohner boten sogar eine Wagenwäsche an, die von einigen gern angenommen wurde.
Auch Wasser durften wir tanken und es bereitete große Mühe, für diesen Service eine Gegenleistung zu offerieren. Geld wollten die lieben Menschen nicht annehmen. So probierten wir es mit Schokolade.
Die größte Gegenleistung war wahrscheinlich die Abwechslung, die wir dem Dorf und seinen Leuten boten. Alle bestaunten die Wohnmobile und freuten sich unbändig über das Zusammentreffen mit den Langnasen.
Außer der Wagenwäsche kamen die Dorfbewohner noch auf eine andere Geschäftsidee. Aus dem Nichts erschienen plötzlich Gemüsehändler und ihre knackfrische Ware fand reißenden Absatz. Zunächst gab es nur Kohl. Dann legten sie auch Brokkoli und Salat dazu. Jemand schleppte einen Eimer Bohnen herbei und so gab es bei vielen Wohnmobil-Besatzungen zum Abendessen Gemüse satt.
Wie gut, daß wir im Laufe des Tages immer wieder nach dem Weg gefragt hatten, sonst hätte das Schicksal uns niemals in diesen zauberhaften Ort geführt. Die Begegnungen mit den Menschen sind es, die eine Reise so wertvoll machen. Danke an alle, die diesen nicht nur fürs Team anstrengenden Tag so eindrucksvoll zu Ende gehen ließen.
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