Fahr zur HÖLLE!
Was sonst ein im Zorn ausgesprochener Fluch ist, war heute die Anweisung des Tages. Wobei wir uns zunächst von allen Sünden rein wuschen durch die Besichtigung der heiligsten Stätten Turkmenistans.
Unser Übernachtungsort Konya Urgench oder auch Köhne Ürgenc war bereits im 1. Jahrhundert nach Christus ein bedeutendes Zentrum der nördlichen Route der Seidenstraße und später der gesamten islamischen Welt. Wie es sich häufig verhält mit berühmten Städten, so ziehen sie auch Neider und Eroberer an. Daher war Konya Urgench ein wechselhaftes Schicksal beschieden. Entweder wurde die Stadt von Mongolen erstürmt oder sogar von dem berüchtigten Amir Timur dem Erdboden gleich gemacht, weil er die Konkurrenz zu seiner Heimatstadt Samarkand nicht ertrug.
Wie durch Wunder überlebten trotzdem einige einzigartige Bauwerke wie etwa das Kutlug Timor Minarett aus dem 11. Jahrhundert. Es ist mit 62 Metern das höchste Minarett Mittelasiens. Früher hatte es eine hölzerne Laterne an der Spitze, die heutzutage abgebrochen ist. Damit fanden Karawanen bei Dunkelheit den Weg in die Stadt.
Auf der anderen Straßenseite ergänzt das Turabeg Khanum Mausoleum das UNESCO-geschützte Ensemble.
Emir Kutlug Timur ließ es für seine Lieblingsfrau erbauen und kunstvoll ausstatten.
Die Liebe zum Detail wird bei einer eingehenden Besichtigung erkennbar. Das Minarett ist mit geschliffenen versetzten Backsteinen verziert. Die Außenkuppel des Mausoleums ist zwar zerstört aber die 20 Meter hohe Innenkuppel trägt 365 Sterne für jeden Tag im Jahr, die mit kunstvollen geometrischen Mustern verbunden sind.
Nach so viel religiöser Kultur fühlten wir uns gestärkt für den Höllenritt zum Tor der Unterwelt. Die Straßen toppten alles bisher Dagewesene. Spurrillen so tief, daß man mit dem Unterboden aufsetzte, wenn man nicht akrobatisch auf dem Kamm jonglierte.
Löcher und nicht vorhandener Asphalt schockten uns nicht! Überhaupt wird der Nutzen von geschlossenen Teerdecken komplett überbewertet. Wir haben bewiesen, daß es auch anders geht.......
Immer tiefer drangen wir vor in die Wüste Karakum. Auch wenn eine Straße diese 400.000 qkm große Ödnis durchzieht, so gibt es doch immer wieder Stellen, an denen der Sand versucht, die Zivilisation zurück zu drängen.
Wie gut, daß man bei der unebenen Oberfläche sowieso nicht schnell fahren konnte, sonst hätte man wegen der vielen Kamele immer wieder abbremsen müssen.
Nach 280 Kilometern wurde es ernst! Nun führte ein kleiner Seitenweg erst richtig hinein in die Sandwüste. Angeblich sollte es der Weg zum berühmten Feuerkrater von Derweze sein. Unser Navi forderte uns unmißverständlich auf, diesen Track zu befahren. Hinweisschilder oder eine Garantie, daß man notfalls irgendwo wenden könnte, ohne im Treibsand zu versinken, gab es nicht.
Wie sich herausstellte, warteten am Ende des Tracks eine große feste Fläche und noch mehr Kamele.
Besonders Georg war wieder einmal das Objekt der Begierde. Wie der Mann das macht, ist allen unbegreiflich. Alle fliegen auf ihn: Chinesen, Frauen, Kinder und Kamele......fast wäre er die Viecher gar nicht mehr losgeworden.
Eine fast unwirkliche Atmosphäre herrschte am Feuerkrater. 1971 hatten Geologen auf der Suche nach fossilen Energien eine Gasblase unter der Erdoberfläche in der Karakum geortet. Die Decke dieses Gasfeldes erwies sich als instabil und stürzte vollständig ein. Ein 50 Meter tiefer Krater von etwa 200 Meter Durchmesser entstand. Fortan fielen die Tiere der Nomaden in das Loch, wenn sie zu nah an der Abbruchkante grasten oder erstickten an dem austretenden Gas. Angeblich soll ein verärgerter Hirte einen brennenden Gegenstand hinein geworfen haben und seither lodert ein gewaltiges unauslöschliches Feuer, dem sich kein Tier mehr nähert.
Unsere Reisegruppe näherte sich aber so weit es irgend ging, denn das Schauspiel der züngelnden Flammen, die aus hunderten von Erdspalten empor schlagen, wollten wir besonders bei Nacht bestaunen. Daher wurde das Abendessen in Form von Hammelsuppe und Lammspießen als Campertafel am Krater serviert.
Das Höllenfeuer übte eine unglaubliche Faszination auf alle Tour-Teilnehmer aus. Viele parkten sogar so, daß sie beim nächtlichen Blick aus dem Fenster dem Teufel bei der Arbeit zuschauen konnten....
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