Donnerstag, 22. August  2019
Wir sind gerade in Turfan

„Wenn wir unsere Richtung nicht ändern, werden wir dort ankommen, wohin wir gehen.“

Viel Weisheit steckt in diesem chinesischen Sprichwort. Unsere Reisegruppe wird wohl unweigerlich in den nächsten Tagen in Kaschgar ankommen, nahe der Grenze zu Kirgistan.

Denn immer weiter hinein geht es nach West-China ins Land der Uiguren. Immer tiefer hinein in Richtung Taklamakan, die Wüste ohne Wiederkehr. Für unsere Reise bedeutet das eine zusätzliche Herausforderung. Zu den ganzen Regeln, die in China beachtet werden müssen, zu dem hohen Geräuschpegel, den viele Menschen auf einem Haufen nun einmal verursachen - besonders wenn es sich um viele Chinesen handelt - und der sommerlichen Hitze haben wir jetzt außerdem mit extremen Sicherheitsvorkehrungen zu kämpfen. Bei der Einfahrt in die Provinz Xinjiang, bot sich uns ein typisches Bild: Barrikaden, Absperrungen, Police Checks. 

 

Das haut uns nicht um. Schließlich befinden wir uns auf einer Abenteuer-Reise, die noch vor ein paar Jahren viel abenteuerlicher war. Als die Straßen schlecht waren und Mobilfunkverbindungen nicht existierten. Als die Reiseteilnehmer viel mehr selbst mitdenken und orientieren mußten. Heute werden täglich druckfrische Roadbooks mit Zwischen- und Zielkoordinaten verteilt, wir stehen unterwegs in ständigem Kontakt über WeChat - dem chinesischen Pendant zu WhatsApp - wir rollen auf bestem Asphalt auf neuen Autobahnen mitten durch die steinerne Halbwüste und mieten am Stellplatz Hotelzimmer zum Duschen an.

 

 

Hey Leute, da brauchen wir doch wenigstens ein bißchen Aufregung beim Tanken und an den Polizeikontrollen, oder? Diese Provinz unterliegt ganz besonderen Sicherheitsbestimmungen. Das wußten wir vorher. Umso dankbarer sind wir, daß wir als Ausländer mit unseren eigenen Wohnmobilen nicht nur durch China, sondern sogar so weit nach Westen fahren dürfen. Der Preis dafür sind Wartezeiten an gut gesicherten Tankstellen, die mit hohen Zäunen und vielen Wachleuten gesichert sind. Benzin wird gar nicht verkauft an Ausländer, Diesel nur nach Passkontrolle. Der Beifahrer muß aussteigen, damit der Fahrer allein einfahren kann. Wenn man Glück hat, erwischt man eine Tankstelle, die das Ganze lockerer sieht. Wenn man Pech hat, erwischt man eine, die gerade keinen Diesel hat. 

Wenn man Yong Zhi dabei hat, dann redet er vielleicht auch so lange, bis die Tankstellen-Mädels uns außerhalb von Zaun und Stacheldraht bedienen und einfach den Rüssel durch die Absperrung reichen.

 

 

Wir sind auf alles vorbereitet. Und alle sind ans Ziel gekommen - auch wenn man zwischendurch an Kontrollpunkten das eine oder andere Mal aussteigen mußte, damit die Polizei unsere Pässe einscannen und unser Visum sowie das chinesische Nummernschild abfotografieren konnte. Wir sind in den „Glutofen“ Chinas gefahren - in die Turfansenke, die stellenweise bis zu 160 Meter unter dem Meeresspiegel liegt. 

Entlang der Strecke entdeckten wir löchrige Lehmhäuser. Da wir durch muslimisches Gebiet fahren, wundert es nicht, daß in diesen Gebäuden die berühmten Turfan-Weintrauben auf luftige Art bei großer Hitze zu Rosinen getrocknet, anstatt von einem Winzer zu Wein veredelt werden.

 

 

In Turfan gönnen wir uns noch einen entspannten Besichtigungstag, bevor für die letzten Tage in China lange Etappen auf uns warten werden. Die Ruinenstadt Jiaohe zählt mittlerweile zum UNESCO Weltkulturerbe und beeindruckt durch ihr Alter und eine unschlagbar clevere Lage. Ein 30 m hohes Felsplateau wird auf einer Länge von 1,7 km und einer Breite von 300 m von zwei Flüssen umschlungen. So bildet die bereits im 2. Jahrhundert vor Chr. errichtete Siedlung eine natürliche Festung. Im Besucherzentrum ist dies bildhaft dargestellt.

 

 

Ein Relief veranschaulicht, wohin wir unsere Füße setzen. Die Flüsse machen den Ort zu einer Oase in der glühend heißen Turfan-Senke, in der nur etwa 16 mm Niederschlag pro Jahr fallen.

 

 

Obwohl die Lage eigentlich gut zu verteidigen war, wechselten die Herrscher im Laufe der Jahrhunderte. Immer wieder wurde Jiaohe erobert und weiter ausgebaut.

 

 

Yong Zhi gibt uns wie gewohnt interessante Erklärungen. Auf den engen Felsenwegen läßt sich die Hitze in den frühen Morgenstunden gut aushalten. Die damaligen Bewohner hatten sich etwas dabei gedacht, als sie ihre Häuser bauten.

 

Die Menschen der Antike wußten nicht nur, wie man Stadtfestungen baut, sondern auch, wie man in einer Stadt ohne nennenswerten Niederschlag an Wasser kommt. Sie konstruierten ein ausgetüfteltes Karez-System, unterirdische Stollen, mit denen sie Grundwasser sammelten. Das wollten wir uns genauer ansehen.

In den Stollen verschmutzt das Wasser nicht und verdunstet auch nicht so schnell. Wir konnten uns fasziniert einen Eindruck verschaffen, wie erfinderisch die Menschen damals diese Schächte angelegt hatten.

 

 

Das Karez-System funktioniert überall dort, wo sich eine Oase in der Nähe eines Gebirges befindet. Man bohrte im bergseitig ansteigenden Gelände bis zum Grundwasser und schuf unterirdische Kanäle, um das Wasser in die Stadt zu bringen. Hoch interessant in einem Modell dargestellt!

 

 

Bei der Hitze, die sich am späteren Vormittag über Turfan legt, haben wir in dem verzweigten Schacht-System ein durchaus angenehmes Klima. Auch die berühmte Emin-Moschee Sugong Ta wollen wir uns nicht entgehen lassen. Der Lehmbau stammt von 1777 und besticht durch das absolut ungewöhnliche Minarett.

 

 

Aus Lehmziegeln errichtet ragt der Turm 37 m in die Höhe und zeigt die unterschiedlichsten Ornamentbänder. Im Inneren findet man einen schlichten Gebetsraum.

 

 

 

Mit diesem Beispiel uigurischer Architektur beschließen wir unseren Besichtigungsreigen, damit jeder noch ausreichend Zeit hat, sich mit Proviant für die bevorstehende Durchquerung der Taklamakan-Wüste zu bevorraten. Die Gegend um unser Hotel gleicht einer Vision aus 1000-und-einer-Nacht. Es macht große Freude, zwischen den Fladenbrotbäckereien und anderen kleinen Handwerken zu bummeln. Wir sind definitiv im Orient angekommen.


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