Der Weinachtsbaum spricht
Von drauß vom Walde komm ich nicht,
sonst wär mein Nadelkleid mehr licht
und nicht von solcher grünen Wucht -
ich komm von drauß aus einer Zucht,
wo man uns Fichten routiniert
auf Weihnacht hin domestiziert.
Damit wir dann im Lichterglanz,
bestückt mit buntem Firlefanz,
mit Engelshaaren zart verziert,
von Weihnachtsliedern malträtiert,
verloren in der Ecke stehn
und alles ruft: „Ach, ist der schön!"
Da hat man ja nun nichts dagegen,
man bleibt verschont vom sauren Regen
und hat es trocken, wohlig warm
die Leut' sind freundlich und voll Charme,
nur Eintracht herrscht und Harmonie
und Friede bis zur Idiotie.
Die Menschen werden immer bräver,
das fürcht' ich mehr als Borkenkäfer.
Das geht so gut bis nach Neujahr,
dann kräuselt sich das Engelshaar.
Und eines Tags wird man getadelt,
weil man schon vor Dreikönig nadelt.
Dann plötzlich wird man vorgerückt,
von rohen Händen abgeschmückt,
vors Haus gestellt, wo's frostig nieselt,
von Hunden wird man angepieselt,
mit ganz profanem Müll verwechselt
und von der Müllabfuhr zerhäckselt.
Drum wär ich lieber - wenn's denn sei -
im nächsten Leben ein Bonsai.
Klaus Peter Schreiner
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