In der fünftgrößten Stadt Russlands
Unser heutiges Tagesziel hieß Nischni Nowgorod, eine Millionenmetropole, die von 1932 bis 1990 in Gorki umbenannt war. Auch bei der langsam immer präsenter werdenden Fußball-Weltmeisterschaft wird das am Wolga-Ufer neu erbaute Stadion eine der Austragunsstätten sein.
Um diese Station unserer langen Reise zu erreichen, lagen 255 Kilometer meist recht gerade, mehr oder weniger gute, nicht selten durch Ortschaften unterbrochene, doppelspurige Straße vor uns. Häufig führte die M7 durch unspektakuläre Birkenwälder, manchmal erfreuten aber auch echte Hingucker das Auge. Übrigens: Das Straßenschild heiß STOP. C steht für S und der letzte kyrillische Buchstabe im Wort ist ein P.
Der Kreml in Nischni Nowgorod aus dem Jahre 1515 ist so etwas wie das historische Zentrum der Stadt.
Von dieser Befestigungsanlage aus hat man einen Blick auf die Wolga, der wir zum ersten Mal auf dieser Reise begegnen.
Die Stadt wurde strategisch günstig gebaut an der Einmündung der Oka in die Wolga. Das neue Fußballstadion, das erst in diesem April eröffnet wurde, wird dereinst vielleicht ebenso Wahrzeichen werden wie die strahlend gelbe Alexander-Newski-Kathedrale, auf der im zweiten Weltkrieg eine Flakstellung zur Luftabwehr installiert war.
Heute herrscht Frieden in der Stadt und Touristen sind gern gesehen. Zu Sowjetzeiten allerdings war die „Untere Neustadt“, wie Nischni Nowgorod wörtlich übersetzt heißt, eine „geschlossene Stadt“, die von Ausländern nicht betreten werden durfte.
Der Grund dafür waren zahlreiche Rüstungsfabriken, in denen unter anderem Atom-U-Boote produziert wurden. Jetzt bummeln Touristen am Ufer der Wolga und freuen sich zum Beispiel über die moderne Hirsch-Skulptur, das Wappentier der Stadt.
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Daß wir nicht nur diese Stadt besuchen dürfen, sondern sogar einen Übernachtungsplatz im Grünen angeboten bekommen, wissen wir sehr zu schätzen. Wir stehen an einem Sportplatz, an dem extra ein Bereich für unsere Wohnmobile abgesperrt wurde.
Die Stromversorgung mutet zwar etwas abenteuerlich an und auch die Entsorgung ist phantasievoll gelöst - aber - hey, wir sind schließlich mit „Abenteuer Osten“ unterwegs.
Unsere Tour-Teilnehmer finden diesen Platz, wie alle bisher, einfach saumäßig gut und haben sich sofort zwanglos hinter den Fahrzeugen zu einem Festmacher-Bierchen getroffen.
Auch Dima hielt sein Meeting dort ab und fügte gleich im Anschluß eine Chorprobe in russischem Liedgut an.
Wir sind immer wieder überrascht, welche Talente in diesem sympathischen Reiseleiter stecken.
Sogar singen kann der Mann!
Wir gaben uns alle Mühe, mit einzustimmen und die wichtigsten Volkslieder zu lernen. Künftige Busfahrten bei Stadtführungen sollen als weitere Übungsstunden genutzt werden.
Zuletzt ein Blick in die Krankenakte:
Bei allem Spaß, den wir gemeinsam haben, schwingt nach wie vor die Sorge um unseren Patienten - Manfreds Wohnmobil - mit. Gestern Morgen sah es so aus, als sei der Frischoperierte als geheilt entlassen worden. Nach dem vollzogenen Einbau des Motors wurde noch am späten Mittwochabend der Zündschlüssel herum gedreht, während alle den Atem anhielten. Würde das fremde Herz nach der Transplantation in der Brust des Mercedes selbstständig zu schlagen beginnen?
Nach bangen Sekunden und kurzem Aufbäumen setzte ein Schnurren ein, das von der Werkstatt als „gleichmäßig wie ein Schweizer Uhrwerk“ beschrieben wurde. Ein entsprechendes Video wurde übermittelt, unser Mechaniker Tsyren und Manfred stießen zufrieden auf die gelungene Herzverpflanzung an und es wurde verabredet am nächsten Morgen - also gestern - zur Gruppe aufzuschließen.
Leider kam es zu einer hoch fiebrigen Abstoßungsreaktion. Kaum aus Moskau heraus gefahren, stieg die Motortemperatur auf ein nicht zu vertretendes Maß an, so daß Manfred, Barbara und Tsyren schweren Herzens den Patienten wieder einlieferten.
Es kam zu einer mehrstündigen Notoperation, bei der die Zylinderköpfe abgeschliffen und sämtlich Herzklappen nochmals überprüft wurden. Wenn das keinen Erfolg bringt, sollen Teile des ehemaligen Motors in das Spenderorgan eingesetzt werden.
Da Manfred volles Vertrauen in die Arbeit der Werkstatt hat (was bleibt ihm auch anderes übrig?), vor allem aber weil er von unserem Team-Mitglied Tsyren unterstützt wird, kann er die Tage mit Barbara in Moskau für Sightseeing nutzen, während Tsyren der OP-Mannschaft auf die Finger schaut.
Während wir unaufhaltsam weiter gen Osten fahren, sitzen Manfred und Barbara in Moskau fest. Es gibt uns allen aber Hoffnung, daß Tsyren als Dolmetscher mit Sachverstand bei ihnen ist und den Kontakt zur Gruppe hält. Noch lassen sich die Etappen locker aufholen. Vielleicht morgen schon!
Jedenfalls sitzen jetzt fast 3000 Leser auf der ganzen Welt vor den Laptops und Tablets und fiebern täglich mit, wie es dem Patienten geht. 3000 x 2 sind bald 6000 gedrückte Daumen - das muß einfach helfen! Wir glauben fest daran!
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