Zǒu wānlù
(einen krummen Weg gehen)
Genau das haben wir getan. Um von Peking nach Kashgar zu gelangen, hätten wir auf der Nordroute die Taklamakan umfahren können. Haben wir aber nicht getan. Von Kashgar sollte es später auf direktem Weg nach Kirgistan gehen aber zuvor wollten wir einen Umweg fahren tief hinein in die „Wüste ohne Wiederkehr“, wie die Taklamakan genant wird. Das Tarim-Becken ist von einer beeindruckenden Berglandschaft umgeben.
Nachdem wir das Felsengebirge hinter uns gelassen haben, schwenken wir nach Süden ab mit einem Zwischenstopp am Bosten See. Das letzte Wasserloch auf dem Weg zur zweitgrößten Sandwüste der Welt.
Auf unserem Übernachtungsplatz an einem Erholungspark tanken wir Kraft und Ruhe vor der Wüstendurchquerung.
Welch ein Kontrast für die Augen! Himmelblau, wasserblau, grasgrün! Bald schon werden wir nur noch gelbe Wüste sehen, Staub schlucken und Sand zwischen den Zähnen knirschen lassen. In der Ferne sehen wir bereits die Bergkette, die wir am nächsten Tag bewältigen müssen.
Früh raus und „rauf auf den Bock“, wie Kostya zu sagen pflegt. Im ersten Tageslicht machen wir uns auf den Weg zum Tarim Desert Highway. In zwei Tagen soll die Taklamakan Wüste durchquert werden von Norden nach Süden. Ein spannendes Unterfangen! Die Etappe startet mit guten Straßen, üppiger Vegetation und einem gefalteten Gebirgszug, der zunächst wie eine Schranke wirkt, wie ein Hindernis auf dem Weg in die Wüste.
Wir müssen also ein wenig Anlauf nehmen und uns mitten hindurch durch spektakuläre Landschaft arbeiten. Wie überdimensionale Sanddünen wirken die Berge, durch die eine Straße in Topzustand führt.
Die Taklamakan füllt ein Siebtel der riesigen Provinz Xinjiang aus. Diese autonome Region steht unter ganz besonders strenger Beobachtung der Sicherheitskräfte. Die Chinesen sind wahre Überwachungskünstler. Jede Provinz, jede Gemeinde weiß, daß wir kommen. Es mußten weit im Vorfeld von „Abenteuer Osten“ endlos lange Listen mit Passnummern und anderen persönlichen Daten auf den verschiedensten Regierungs-Ebenen eingereicht und die Fahrstrecke „von oben“ genehmigt werden. Trotzdem werden wir in relativ kurzen Abständen an den Kontrollposten von der Polizei gestoppt, damit Pässe, Visa und Nummernschild eingescannt werden können.
Wir alle wußten vorher, was in China auf uns zukommt. Wir haben eine gute Methode entwickelt, um die Wartezeiten bis zur Rückgabe der Pässe und die verschiedensten uns absurd erscheinenden Prozeduren und Vorschriften in unserem Gastland mit stabiler Laune zu ertragen: Wir stellen keine Fragen - nicht an die Sicherheitsleute, nicht an unsere chinesischen Reisebegleiter und nicht an uns selbst. Wenn man nichts hinterfragt, sondern einfach so mitschwimmt auf der Welle der Sitten und Gebräuche der Chinesen, dann ist alles gut. Dann kann man sich an den schneebedeckten Bergen in der Ferne erfreuen und die Zwangspausen als Erholungsphasen während der Etappe nutzen.
Xiào yī xiào, shí nián shao!.....wie die Chinesen sagen....Lächle und du bist zehn Jahre jünger!
Dann haben wir ihn tatsächlich erreicht, den Tarim Desert Highway, die teuerste Wüstenstraße der Welt!
Erst in 285 km werden wir auf die nächste Ortschaft, die nächste Tankstelle treffen.
Dazwischen brennt die Sonne erbarmungslos auf den Wüstensand. Die Vegetation wird immer spärlicher, die Bäume werden immer kahler und verschwinden bald ganz. Die Straße muß regelmäßig gereinigt und von Flugsand befreit werden. Außer Dünen begleiten uns nur die Tamarisken, die entlang des Asphaltbandes angepflanzt wurden, um eine Versandung der Straße zu verhindern. Sie müssen bewässert und kontrolliert werden. Kein Wunder, daß hier ein Kilometer Straße etwa 10 Millionen Euro gekostet haben soll.
Was man vergessen hat bei der Planung, das ist ein hübscher Campingplatz auf halber Strecke der 520 Kilometer langen Wüstendurchquerung. Der Mensch muß schließlich ruhen und Eindrücke verarbeiten. Auch ein kaltes Bier kommt nicht ungelegen, wenn die Kehle staubtrocken und die Zunge am Gaumen festgeklebt ist. Also muß ein Übernachtungsplatz her! Woher nehmen und nicht stehlen? Die letzte Abenteuer-Osten-Gruppe, die der „Wüste ohne Wiederkehr“ mit heiler Haut entkommen ist, hat uns GPS-Koordinaten hinterlassen. Schauen wir mal, was uns erwartet!
Die Zufahrt erscheint zunächst fest und breit genug. Aber dann......
......dann wird die Sandverwehung doch tiefer und weicher als gedacht. Puuh, was nun?
Zum Glück haben wir eine ganze Reihe Allrad-Fahrzeuge in unseren Reihen. Sie kommen spielend durch die kritischen Stellen und für alle anderen finden wir auch festen Untergrund.
Schließlich und endlich ist es geschafft. Alle stehen und können den beeindruckenden Sternenhimmel über den Dünen bewundern.
Damit die Wüste mit dem düsteren Namen ihren Schrecken nicht wirklich verbreiten kann, starten wir am nächsten Morgen wieder früh in den Tag.
Ein wahrhaft mystisches Erlebnis! Wir haben es getan! Wir haben tatsächlich diesen riesigen fast 230.000 Quadratkilometer großen Sandkasten durchquert - mit unseren eigenen Wohnmobilen!
Und dann hat sie uns wieder ausgespuckt, die „Wüste ohne Wiederkehr“. Viele Sprachforscher haben versucht, den uigurischen Dialekt zu untersuchen und den Namen der Wüste so übersetzt: „Begib dich hinein und du kommst nie wieder heraus!“
Wir sind mit heiler Haut heraus gekommen und es war ein spektakuläres Erlebnis. Als wir wieder auf die Hauptstraße stoßen, die die Taklamakan auf der Südroute umfährt, werden wir von einer kleinen Herde Kamelen begrüßt.
Wie man sich denken kann, ist der Reiseleitung ein Stein vom Herzen gefallen, als schließlich alle Tour-Teilnehmer sicher im Ziel eintrafen. Es hätte jederzeit zu Sandstürmen, Pannen oder anderen Widrigkeiten kommen können. Stattdessen hielten einige aus der Gruppe immer wieder an, um die Sanddünen zu besteigen und das Wüstenerlebnis zu genießen. Ein Meilenstein auf der Seidenstraßen-Tour 2019 liegt hinter uns!
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